AGORAPHOBIE

WAS IST EINE AGORAPHOBIE?

  • Menschen, die unter einer Agoraphobie leiden, berichten von einer deutlichen und anhaltenden Furcht vor Orten und Situationen, aus denen eine Flucht erschwert ist (Menschenmengen, öffentliche Plätze, Verkehrsmittel, Warteschlangen).
  • Häufig berichten Betroffene, dass die Angst mit Panikattacken einhergeht, wobei eine Agoraphobie auch unabhängig von Paniksymptomen auftreten kann.
  • Meist wird eine starke Einschränkung und emotionale Belastung im Leben berichtet, da aufgrund des Sicherheits- und Vermeidungsverhaltens (z.B. bestimmte Orte nicht mehr aufsuchen können) eine starke Einengung des persönlichen Bewegungsspielraumes sowie Einschränkungen im privaten und beruflichen Alltag berichtet werden.
  • Etwa 5 % der Bevölkerung erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Agoraphobie.

WIE WIRD DIE DIAGNOSE „AGORAPHOBIE“ (NACH ICD-10: F40.0) GESTELLT?

  • Deutliche und anhaltende Furcht vor oder Vermeidung von mindestens zwei der folgenden Situationen: Menschenmengen, öffentliche Plätze, allein reisen, Reisen mit weiter Entfernung von Zuhause
  • Wenigstens einmal nach Auftreten der Störung müssen in den gefürchteten Situationen mindestens zwei Angstsymptome aus der folgenden Liste wenigstens zu einem Zeitpunkt gemeinsam vorhanden gewesen sein:
  • Vegetative Symptome: (1) Palpitationen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz, (2) Schweißausbrüche, (3) fein- oder grobschlägiger Tremor, (4) Mundtrockenheit (nicht infolge Medikation oder Exsikkose)
  • Symptome, die Thorax und Abdomen betreffen: (5) Atembeschwerden, (6) Beklemmungsgefühl, (7) Thoraxschmerzen oder -mißempfindungen, (8) Nausea oder abdominelle Missempfindungen (z.B. Unruhegefühl im Magen)
  • Psychische Symptome: (9) Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit, (10) Gefühl, die Objekte sind unwirklich (Derealisation) oder man selbst ist weit entfernt oder „nicht wirklich hier“ (Depersonalisation), (11) Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“, (12) Angst zu sterben
  • Allgemeine Symptome: (13) Hitzewallungen oder Kälteschauer, (14) Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle.
  • Deutliche emotionale Belastung durch das Vermeidungsverhalten oder die Angstsymptome; die Betroffenen haben die Einsicht, dass diese übertrieben oder unvernünftig sind
  • Die Symptome beschränken sich ausschließlich oder vornehmlich auf die gefürchteten Situationen oder Gedanken an sie.
  • Die Diagnose sollte nur durch einen erfahrenen Arzt oder Psychotherapeuten gestellt werden, der Sie beraten und in der Behandlung unterstützen kann. Bitte wenden Sie sich an Arzt oder Psychotherapeuten, sofern Sie den Verdacht haben, an einer Agoraphobie zu leiden.
  • Zur Ergänzung des klinischen Eindrucks wird die Diagnostik durch Fragebögen wie beispielsweise das Mobilitätsinventar (MI) oder die Panik- und Agoraphobieskala ergänzt.

WIE ENTSTEHT EINE AGORAPHOBIE?

  • Die Ursachen für das Entstehen einer Agoraphobie sind vielfältig. Eine biologische und psychologische Vulnerabilität (erhöhte Anfälligkeit/Empfindsamkeit) kann ein Grund dafür sein, dass es zur Erkrankung kommt.
  • Schlüsselerlebnisse, bei denen die Betroffenen aus realen Gründen extreme Angstzustände erleben mussten, können ebenso zu der Entstehung einer Agoraphobie beitragen. Es muss jedoch beachtet werden, dass dies nicht mit einer posttraumatischen Belastungsstörung oder der Entstehung panikartiger Symptome durch Faktoren wie Substanzmissbrauch, zu wenig Schlaf o.ä. verwechselt werden darf.
  • Insbesondere negative Lernprozesse (beispielsweise Trennungsangst in der Kindheit) und das Lernen am Modell (Eltern, Bezugspersonen) können zur Entwicklung einer erhöhten Angstsensitivität führen.

WIE WIRD EINE AGORAPHOBIE AUFRECHTERHALTEN?

Der Teufelskreis der Angst (nach Schneider&Margraf, 2017):

WIE ERFOLGT DIE BEHANDLUNG EINER AGORAPHOBIE?

  • Eine Agoraphobie ist mit Hilfe von verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten gut therapierbar. Die Wirksamkeit von Psychotherapie ist wissenschaftlich bestätigt.
  • In der Verhaltenstherapie gibt es z.B. die kognitive Therapie, in der es um die Bearbeitung von ungünstigen Gedankenmustern und einem Hinterfragen von automatisch auftretenden Gedanken geht. Die Bewertung und Interpretation von bestimmten Situationen und Reizen, die zur Aufrechterhaltung der jeweiligen Symptomatik beitragen, wird hierbei verändert.
  • Eine Konfrontationstherapie, in der eine direkte Konfrontation mit der angstbesetzten Situation erfolgt, ist meist besonders wirksam. Da bisher die Angst durch Vermeidungsverhalten reduziert wurde, ist es wichtig zu lernen, dass die Angst nach einer Weile von alleine absinkt, wenn man sich ihr stellt. So kann das gelernte Angstverhalten reduziert und ein günstigeres Bewältigungsverhalten erlernt werden. Dieses Vorgehen wird mit viel Unterstützung und nach ausführlicher Vorbereitung durchgeführt (graduiert, „schrittweise“).

Ziele der Behandlung

  • Aufbau von Krankheitsverständnis und einer vertrauensvollen therapeutischen Arbeitsbeziehung
  • Psychoedukation zur Störung und Entwicklung eines individuellen Krankheitsmodells
  • Kognitive Therapie zur Modifikation angstauslösender Gedanken, Erkennen dysfunktionaler Kognitionen, sokratischer Dialog, Spaltentechnik, Reattribution
  • Begleitetes Aufsuchen schwieriger Situationen zur Ausweitung des Bewegungsradius und Abbau des Vermeidungsverhaltens
  • Verhaltensübungen zur Verbesserung der sozialen Integration, der Wiederherstellung der beruflichen Leistungsfähigkeit und der Verbesserung des Selbstvertrauens
  • Rückfallprophylaxe und Entwicklung eines Notfallplans

LITERATUREMPFEHLUNGEN UND LESETIPPS

  • Heinrichs: Ratgeber Panikstörung und Agoraphobie, Hogrefe.
  • Mathews, Gelder & Johnston: Platzangst – ein Übungsprogramm für Betroffene und Angehörige, Karger
  • Schneider & Margraf: Agoraphobie und Panikstörung. Fortschritte der Psychotherapie, Hogrefe.

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