PSYCHOKARDIOLOGIE

HERZERKRANKUNGEN UND UNSERE PSYCHE

Das Fachgebiet der Psychokardiologie beschäftigt sich mit der wechselseitigen Beeinflussung zwischen Psyche / Emotionalität und dem kardiovaskulären System. Psychosoziale Faktoren können sowohl das Risiko für ein Auftreten einer Herzerkrankung erhöhen als auch den Verlauf hinsichtlich Lebensqualität und Wahrscheinlichkeit weiterer kardialer Ereignisse negativ beeinflussen. Die Berücksichtigung und Therapie dieser Faktoren ist daher von entscheidender Bedeutung.

STÖRUNGSMODELL: WECHSELSEITIGE BEEINFLUSSUNG

  • Herzerkrankungen treten meist plötzlich auf und stellen für die Betroffenen ein einschneidendes Ereignis dar, welches das Leben „auf einen Schlag“ in einem anderen Licht erscheinen lässt und zu hoher Verunsicherung führt. Erhalt und Verarbeitung einer entsprechenden Diagnose sowie damit verbundene körperliche Behandlungsprozeduren und Einschränkungen stellen eine hohe Belastung für die Betroffen dar – oft mit Auswirkungen auf zahlreiche Lebensbereiche (körperliche Belastbarkeit, berufliche Leistungsfähigkeit, familiäre und soziale Beziehungen, Sicht auf das eigene Leben und die Zukunft etc.).
  • Umgekehrt wirkt das seelische Befinden wiederum sowohl über das Verhalten eines Menschen (z.B. „Frustessen“, Rauchen, Alkoholkonsum oder andere ungünstige Stressbewältigungsstrategien) als auch über die Veränderung körperlicher Regulationsprozesse (z.B. Blutdruckanstieg bei Ärger, Cortisolausschüttung bei anhaltender emotionaler Belastung) auf das Herz-Kreislauf-System ein und kann dort krankhafte Prozesse hervorrufen oder verstärken.
  • Die Behandlung der Herzkrankheit und die Vorbeugung durch einen gesundheitsförderlichen Lebensstil betreffen damit immer den ganzen Menschen.

Der Teufelskreis der Angst (nach Schneider&Margraf, 2017):

SYMPTOME UND BESCHWERDEBILDER

Zu den kardiovaskulären Erkrankungen, die Indikation für eine psychotherapeutisch-psychosomatische Behandlung sein können, zählen u.a.:

  • arterielle Hypertonie
  • koronare Herzkrankheit
  • Zustand nach Myokardinfarkt (Herzinfarkt)
  • Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien)
  • Herzvitien (Herzfehler)
  • funktionelle Herzbeschwerden

Beobachtbare Symptome, die auf einen Behandlungsbedarf hinweisen, können sein:

  • depressive Symptome wie Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit und Rückzug, ausgeprägtes Grüben über die Erkrankung oder deren Folgen
  • erhöhte Ängstlichkeit/Unsicherheit, ständige Sorgen, Angst- und Panikzustände
  • übermäßige Fixierung auf das Herz, Vermeidungsverhalten und Einschränkung des Aktivitätsradius
  • erhöhte Reizbarkeit, anhaltender Ärger oder Feindseligkeit
  • Erschöpfungszustände, Antriebslosigkeit, Schlafprobleme
  • psychosomatische Beschwerden (z.B. Herz-/Brustschmerz trotz normaler Durchblutung, Appetitverlust)
  • partnerschaftliche/familiäre Konflikte, sexuelle Schwierigkeiten
  • gesundheitsschädliche, risikosteigernde Verhaltensweisen wie Rauchen, Fehlernährung, Übergewicht, Bewegungsmangel, dysfunktionale Stressverarbeitung

DIAGNOSTIK

Die Diagnostik von Art und Ausmaß der psychischen Belastung und/oder krankheitsbezogenen Risikofaktoren erfolgt immer in enger Zusammenarbeit mit Ihrem behandelnden Arzt. Hierbei kommen neben dem persönlichen Gespräch auch Screening-Fragebögen und strukturierte Interviews oder ggf. Schmerzskalen zum Einsatz. Eine differenzierte Erhebung der Lebensqualität in verschiedenen Bereichen erlaubt gemeinsam einen Veränderungsbedarf zu identifizieren.

ZIELE DER BEHANDLUNG

  • Das Hauptziel im kardiologischen Rehabilitationsprozess ist es, herzkranke Patienten darin zu unterstützen, die individuell bestmögliche physische und psychische Gesundheit, Belastbarkeit sowie soziale Integration wiederzuerlangen und langfristig aufrechtzuerhalten. Sowohl die allgemeine Lebensqualität als auch ganz konkret die Verbesserung des Krankheitsverlaufs und Ansprechen auf medizinische Maßnahmen stehen im Fokus.
  • Zunächst geht es darum, in einem bio-psycho-sozialen Modell die Herzerkrankung verstehbar und einordenbar zu machen, um ein größeres Maß an Kontrolle zurück zu gewinnen. Hierbei können individuelle Maßnahmen zum Gesundheitsverhalten und zur Verbesserung der Lebensqualität erarbeitet werden. Zudem ist es wichtig, Vertrauen in den eigenen Körper und sich selbst wiederzuerlangen, Einflussmöglichkeiten auf die Erkrankung herauszufinden und Vermeidungsverhalten möglichst abzubauen.

Mögliche Ziele sind:

  • Erarbeiten eines individuellen Krankheitsmodells und Verständnis für körperliche, psychologische und soziale Wechselwirkungsprozesse
  • Einübung von adäquaten Bewältigungsmechanismen
  • Verringerung von Angst und depressiver Verarbeitung
  • Gleichgewicht zwischen Belastung und Entspannung
  • Veränderung gesundheitsgefährdender Lebensweisen (Ernährung, Rauchen, Bewegung, Umgang mit Stress), Akzeptanz von Medikation
  • Erhalt der Leistungsfähigkeit in Verbindung mit Selbstfürsorge
  • Verbesserung des subjektiven Wohlbefindens und der individuellen Lebensqualität

PSYCHOOKARDIOLOGISCHE (VERHALTENS-)THERAPIE

Unser Behandlungsangebot richtet sich an Personen mit kardiovaskulären Erkrankungen. Diese können vor kurzem aufgetreten sein oder auch schon länger zurückliegen.

Mögliche Inhalte der Psychotherapie umfassen:

  • Psychoedukation und Stressbewältigungstraining
  • Analyse und Modifikation kognitiver Grundannahmen und tief verwurzelter Verhaltensmuster, wenn sich diese als ungünstig erweisen
  • Entspannungsverfahren und Meditation / Achtsamkeitstraining
  • Angstbewältigungstherapie
  • Therapie depressiver Verstimmung
  • Konflikt- und Ärgermanagement, Schulung sozialer Kompetenzen
  • Ressourcenorientierte Therapie zum Aufbau von Kraftquellen
  • Genusstraining
  • Akzeptanzbasierte Interventionen, Wertearbeit

LITERATUREMPFEHLUNGEN UND LESETIPPS

  • Stimpel: Leben mit Herzerkrankungen
  • Schirdewahn: Herz aus dem Takt

Diese Website verwendet Cookies. Indem Sie die Website und ihre Angebote nutzen und weiter navigieren, akzeptieren Sie diese Cookies. Dies können Sie in Ihren Browsereinstellungen ändern. Mehr erfahren

Akzeptieren